1. Allgemeines zu Schweißprozessgasen
Die erste nationale Norm DIN 32526 für Gase und Mischgase zum Schweißen aus dem Jahr 1978 hatte die Gruppeneinteilung nach dem Oxidationspotential basierend auf dem Gehalt an Sauerstoff und Kohlendioxid vorgenommen. Die erste europäische Norm für Schweißschutzgase, DIN EN 439, wurde 1978 verabschiedet. Mit der Einführung der ISO 14175 „Schweißzusätze - Gase für das Lichtbogenschweißen und verwandte Prozesse" wurde neben einer neuen Gruppeneinteilung der Gase der Anwendungsbereich erweitert. Das Schweißgas wird erstmals nicht als Hilfsstoff bzw. Verbrauchsstoff geführt, sondern als prozessrelevante Einflussgröße verstanden. Daher steht heute die Bezeichnung „Schweißprozessgas" anstelle von „Schutzgas".
2. Wirkung des Schweißprozessgase
Das Schweißprozessgas hält nicht nur die Atmosphäre von der Schweißstelle fern. Weitere Wirkungen sind:
→ Beeinflussung des Lichtbogens (elektrisch, strömungstechnisch, thermisch)
→ Beeinflussung der Viskosität und Oberflächenspannung von Schweißbad und Schweißtropfen
→ Beeinflussung des Benetzungsverhaltens
→ Metallurgische Reaktion mit Schweißbad und Zusatzwerkstoff
→ Regelung des Einbrands
→ Beeinflussung von Geometrie und Aussehen der Naht
→ Beeinflussung von Strahlung, Wellenlänge und Strahlungsverlusten
→ Beeinflussung vom Schadstoffemissionen
3. Praxisbeispiele zur technischen und wirtschaftlichen Optimierung mit Schweißprozessgasen
Erhöhung der Schweißgeschwindigkeit und Reduzierung der Nacharbeit beim WIG-Schweißen nichtrostender Stähle. Wasserstoff ist das Gas mit der höchsten Wärmeleitfähigkeit. Hinzu kommt, dass es ein molekulares Gas ist, das im Lichtbogenbereich in einer endothermen Reaktion dissoziiert und dadurch auf ein höheres energetisches Niveau angehoben wird. Außerhalb des Lichtbogens rekombinieren die Atome in der kühleren Schutzgasglocke in einer exothermen Reaktion, wobei die zuvor aufgewendete Energie wieder freigesetzt wird. Dadurch wird der Wärmeeintrag in die Schweißnaht zusätzlich intensiviert. Weil Wasserstoff versprödend wirkt, wird er generell nur auf wasserstoffunempfindlichen Materialien, austenitischem nichtrostendem Stahl und Nickel-Basis-werkstoffen eingesetzt. Das Gas mit der zweithöchsten Wärmeleitfähigkeit ist Helium. Da es ein inertes Gas ist, kann es bei allen Materialien eingesetzt werden.
Wärmeleifähigkeit verschiedener Prozessgaskomponenten
Wird Wasserstoff oder Helium dem Prozessgas zugegeben, resultiert daraus immer eine Verbesserung der Produktivität oder der Qualität des Schweißprozesses. Dabei ist der Effekt von Wasserstoff deutlich größer als der von Helium. Besonders beim WIG-Schweißen, wo die Gaseauswahl sehr eingeschränkt ist, zeigen diese beiden Komponenten eine starke Wirkung. Im unten dargestellten Beispiel erhöht die Beimischung von Wasserstoff bei einem austenitischen Stahl die Schweißgeschwindigkeit und reduziert die Anlauffarben.
Einfluss des Schutzgases auf das Nahtaussehen:
Kehlnähte, GW 1.4301, Blechdicke 4mm, SZW 1.4316 Ø 2 mm, Handschweißung. Erhöhung der Schweißgeschwindigkeit und Verringerung der Nacharbeit durch Wasserstoff (VARIGON@ H2 - H6 - Argon + 2% bzw. 6% Wasserstoff).
4. Stabilere Prozesse durch Dotierung mit Aktivgas
Dotierung bedeutet, dass die an Aktivgas zugegebene Menge im Bereich unter 0,1 % liegt. Beispiele Sind das WIG- und MIG-Schweißen von Aluminium, wobei eine 02-Dotierung mit 300 bis 500 ppm in Argon (VARIGON® S) den Schweißprozess stabilisiert.
Im MIG-BeispieI verkleinert sich durch die Verwendung von VARIGON® S anstatt Argon der Lichtbogenbrennfleck um etwa 35 % im entfetteten, und urn etwa 45 % im beschliffenen Bereich. Dadurch steigt die Stromdichte entsprechend an, was den Prozess stabilisiert.
Dies ist erkennbar an der gleichmäßigeren und feineren Nahtschuppung und dem gleichmäßigeren Nahtübergang der rechten Naht.
Beste Ergebnisse werden mit etwa 500 ppm 02-Dotierung erzielt. Beim WIG-Schweißen empfiehlt sich die Reduktion der Dotierung auf 300 ppm 02, da diese Dotierung keinen nennenswerten negativen Einfluss auf die Lebensdauer der Wolframelektrode hat.
In Verbindung mit Helium kann so ein hoch produktiver und stabiler Prozess erreicht werden, indem die dotierten Argon/HeIium-Gemische der VARIGON® Hes Reihe verwendet werden.Schweißen von Aluminium im MIG-DC-Prozess
Stabilisierung beim MIG-Schweißen von Aluminium durch Dotierung (300 ppm Sauerstoff) zu Argon
5. Senkung der Schweißkosten
In den industrialisierten Ländern wie Deutschland Sind die Arbeitskosten der größte Kostenfaktor. Abhängig vom Mechanisierungsgrad können die Arbeitskosten bis zu 90% Kosten pro Meter Schweißnaht ausmachen.
Kostenfaktoren/m Schweißnaht, Deutschland
Näherungsweise für Schweißung: MAG - Hand, Schutzgas CORGON® 18 Kostenaufteilung beim MAG-Schweißen von Baustahl. Betrachtet man beispielsweise die Kosten pro Meter Schweißnaht beim Handschweißen mit dem MAG-Verfahren, so ergeben sich die Werte in der folgenden Grafik:
Kostenbetrachtung (7,43 €/m Schweißnaht, Deutschland)
Gaskosten: 5€/m3, Nebenzeiten: 6 min
Standardanwendung: MAG - Hand, Schweißschutzgas ISO 14175 M21 -ArC-18 (CORGON® 18)
Kosten pro Meter Schweißnaht beim MAG-Schweißen von Baustahl
Um die Gesamtkosten zu reduzieren ist es deshalb sinnvoll, durch eine Mehrausgabe in einem der kleinen Kostenfaktoren (in diesem Fall das Prozessgas) die Produktivität zu erhöhen. Durch z. B. weniger Oberflächenoxidation und weniger Spritzerauswurf aufgrund eines anderen Gases wird es möglich, die Nebenzeiten für das Entfernen von Schlacken und Schweißspritzern zu reduzieren. Durch einen Wechsel von CORGON® 18 (18% + Argon) CORGON® 10 (10% + Argon), wobei die Gaskosten gleich bleiben, kann beispielsweise die durchschnittliche Nebenzeit pro Bauteil je nach Anwendung von sechs auf fünf Minuten reduziert werden. Dadurch ergibt sich eine Ersparnis von 0,62 € oder 8% pro Meter Schweißnaht. Auch der Einsatz eines heliumhaltigen Prozessgases zahlt sich aus. Oft wird dieser Gedanke von vornherein abgelehnt, weil die Kosten für heliumhaltige Mischgase höher Sind als für Argon/C0-Gemische.
Doch betrachten wir den hypothetischen Wechsel von CORGON® 10 CORGON® IOHe30 (10 + 30 He + Argon). wenn z.B. Probleme mit Einbrandkerben, Spaltüberbrückung oder Flankenbindefehlern bestehen, können diese mit Heliumanteilen im Prozessgas reduziert werden. Dadurch vermindern sich z.B. die Nebenzeiten für Nacharbeit. Da heliumhaltige Prozessgase oftmals eine deutliche Steigerung der Schweißgeschwindigkeit ermöglichen, Sind diese besonders für mechanisierte Anwendungen interessant.
Schutzgaseinfluss an unlegiertem Stahl
Beispiel: MAG-Sprühlichtbogen vollmechanisch an Baustahl Draht: G 42 4 M21 3Si1 Ø 1,2mm; Pos. PB = 17m/min, vs = 85 cm/min
Schutzgas M20-ArC-10; + Ar; CORGON® 10
Schutzgas M20-ArHeC-30/10; 10% CO2 + 30% He + Ar; CORGON® 10He30
Kostenreduzierung durch weniger Einbrandkerben und sicheren Einbrand
Doch auch beim manuellen Schweißen können sich Vorteile ergeben.
Im unten betrachteten Beispiel sind zwar keine signifikanten Steigerungen der Schweißgeschwindigkeit zu erzielen, doch selbst eine kleine Steigerung von unter 10 0/0, zusammen mit einer weiteren Reduzierung der Nebenzeiten um eine Minute, erbringt einen zusätzlichen Kostenvorteil von 0,54 € Oder 7% (Ersparnis im Vergleich zur Ausgangssituation, somit 1,16 € oder 15 bei der realistischen Annahme einer Verdoppelung des Gaspreises.
Schutzgaseinfluss an unlegiertem Stahl Kehlnaht PA, Brenner gependelt, MAGT pp async., Abschmelzleistung ca. 18,5 kg/h;
Draht G 42 4 M21 3Si1; 2xØ 1,2mm; + VD2= 35 m/min, a=7mm
| Schutzgas M21-ArC-18; + Ar; CORGONⓇ 18 |
| Schutzgas M20-ArHeC-30/10; + He+Ar; CORGONⓇ IOHe30 |
Verbessertes Nahtaussehen, weniger Nebenzeiten
Fazit
Das vermeintlich „teure" Schweißprozessgas rechnet sich, weil der Hauptkostenfaktor Arbeitskosten durch bessere Schweißergebnisse verringert wird. Die Auflistung aller lieferbaren Schweißprozessgase in der nachfolgenden Tabelle mit den Bezeichnungen nach DIN EN ISO 14175 enthält ein großes Potential an technischen Verbesserungen und Kostenreduzierungen. Die Fachkollegen bei Linde zeigen Ihnen neue Wege auf.
Schweißprozessgase auf einen Blick
Shweißprozessgasc | ||
Linde COMPETENCE LINE™ | Linde PERFORMANCE LINE™ | DIN EN ISO 14175 |
Argon (Ar) | I1 | |
Helium (He) | I2 | |
Kohlendioxid (COO | C1 | |
CORGON® 10 | M20 | |
CORGON® 10He30 | M20-ArC-10 | |
CORGON® 18 | M21-ArC- 18 | |
CORGON® 25 | M21-ArC-25 | |
CORGON® S8 | M22-Ar0-8 | |
CORGON® 253HE18 | M23-ArHe0C-18/3,1/2 | |
CORGON® 5S4 | M23-ArC0-5/4 | |
CORGON® 13S4 | M25-ArC0-13/4 | |
CRONIGON® 2 | M12-ArC-2,5 | |
CRONIGON® 2He20 | M12-ArHeC-20/2 | |
CRONIGON® 2He50 | M12-ArHeC-50/2 | |
CRONIGON® S1 | M13-Ar0-1 | |
CRONIGON® S3 | M13-Ar0-3 | |
CRONIGON® Ni10 | Z-ArHeHC-30/2/0,05 | |
CRONIGON® Ni20 | Z-ArHeC-50/0,05 | |
CRONIGON® Ni30 | Z-ArHeNC-5/5/0,05 | |
VARIGON® N2 | N2-ArN-2 | |
VARIGON® N3 | N2-ArN-3 | |
VARIGON® N2H1 | N4-ArNH-2/1 | |
VARIGON® N2He20 | N2-ArHeN-20/2 | |
VARIGON® He15 | I3-ArHe-15 | |
VARIGON® He30 | I3-ArHe-30 | |
VARIGON® He50 | I3-ArHe-50 | |
VARIGON® He70 | I3-ArHe-70 | |
VARIGON® He90 | I3-ArHe-90 | |
VARIGON® H2 | R1-ArH-2 | |
VARIGON® H5 – H15 | R1-ArH-5-15 | |
Formiergas 95/5 – 70/30 | ||
Stickstoff (N) | N1 |
Zusammensetzung | |||||
Kohlendioxid- Vol.-% | Saurstoff Vol.-% | Stickstoff Vol.-% | Helium- Vol.-% | Wasserstoff- Vol.-% | Argon- Vol.-% |
100 | |||||
100 | |||||
100 | |||||
10 | Rest | ||||
10 | 30 | Rest | |||
18 | Rest | ||||
25 | Rest | ||||
8 | Rest | ||||
2 | 3,1 | 18 | Rest | ||
5 | 4 | Rest | |||
13 | 4 | Rest | |||
2,5 | Rest | ||||
2 | 20 | Rest | |||
2 | 50 | Rest | |||
1 | Rest | ||||
3 | Rest | ||||
0,05 | 30 | 2 | Rest | ||
0,05 | 50 | Rest | |||
0,05 | 5 | 5-10 | Rest | ||
2 | Rest | ||||
3 | Rest | ||||
2 | 1 | Rest | |||
2 | 20 | Rest | |||
15 | Rest | ||||
30 | Rest | ||||
50 | Rest | ||||
70 | Rest | ||||
90 | Rest | ||||
2 | Rest | ||||
5-15 | Rest | ||||
Rest | 5-30 | ||||
100 |
Verfahren/Anwehdung | ||||||
MAG | MIG | WIG/WP | Wurzelschutz | Metall Schutzgaslöten | ||
Un- und niedriglegierte Stähle | Hochlegierte Stähle | Aluminum, Kupfer, Nicke | Stahl, beschichtet | CrNi- Stahl | ||
● | ● | ● | ||||
● | ● | |||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | Teilw. Eignunng | |||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ● | |||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ● | |||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ||||||
● | ||||||
● | ● | ● | ● | |||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ● | |||||
● | ||||||
● |