1. Luftgase
Luft ist ein Gasgemisch aus Stickstoff (78 %), Sauerstoff (21 %), Argon (0,9 %) und weiteren Edelgasen. Diese werden durch Verflüssigung und Zerlegung der Luft gewonnen und daher häufig als Luftgase bezeichnet. Eine Ausnahme macht das Helium (He), das zwar in der Luft mit 0,00052 Volumenprozent enthalten ist, aber wirtschaftlicher aus Erdgasen gewonnen wird.
2. Luftverflüssigung
Das erste Verfahren zur Luftverflüssigung wurde 1895 von Carl von Linde erfunden. Es beruht auf dem Prinzip der Kältemaschine, wie es Carl von Linde in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelt hat und wie es heute noch z. B. in Kühlschränken angewendet wird. Er nutzte dabei die Erfahrungstatsache, dass sich Gase beim Verdichten erwärmen und beim Entspannen wieder abkühlen. Um Luft durch Rektifikation, den eigentlichen Trennprozess, in seine Bestandteile zerlegen zu können, muss ein Teil der eingesetzten Luft verflüssigt werden. Lässt man Wärmeverluste außer Betracht, so hat ein Gas nach seiner Verdichtung und anschließenden Entspannung wieder seine Ausgangstemperatur. Kühlt man das Gas nach der Verdichtung aber vor der Entspannung mit Luft oder Wasser wieder auf Umgebungstemperatur herunter und entspannt es anschließend, so fällt die Endtemperatur unter die Umgebungstemperatur. Damit allein kommt man allerdings noch nicht auf Temperaturbereiche, in denen die Luft verflüssigt wird (-191 °C bis -193 °C). Das Problem löste Carl von Linde durch eine ebenso einfache wie geniale Idee, das entspannte Gas zur Kühlung des verdichteten Gases zu verwenden. Das Prinzip der Luftverflüssigung nach Linde sieht einen Wärmetauscher und ein nachgeschaltetes Entspannungsventil vor, das entspannte Gas wird durch den Wärmetauscher zurückgeführt. So wird die Temperatur vor dem Entspannungsventil kontinuierlich verringert, bis schließlich die Verflüssigungstemperatur erreicht ist und sich ein ganz bestimmter Prozentsatz der verdichteten Luft verflüssigt.
Für die Zerlegung der verflüssigten Luft in ihre Bestandteile werden die unterschiedlichen Siedepunkte von Sauerstoff, Stickstoff und Argon genutzt. Hierbei wird das Prinzip der Alkoholdestillation verwendet. Die Siedetemperaturen der Luftbestandteile liegen sehr nah beieinander (Sauerstoff -183 °C, Stickstoff -196 °C). Aus diesem Grund ist es notwendig, die Zerlegung in mehreren Stufen in einer sogenannten Rektifikationssäule durchzuführen.
Dabei läuft die flüssige Luft über eine Anzahl von Rektifikationsböden im Gegenstrom zum aufsteigenden Gas nach unten. Sie nimmt aus dem Gas Sauerstoff auf und gibt Stickstoff ab, sodass die nach unten laufende Flüssigkeit immer sauerstoffhaltiger wird, während sich das aufsteigende Gas mit Stickstoff anreichert. In ähnlicher Art und Weise wie Sauerstoff und Stickstoff kann auch Argon (Siedetemperatur -186 °C) durch Rektifikation aus der Luft separiert werden. Die Gewinnung anderer Edelgase ist nur in sehr großen Luftzerlegungsanlagen wirtschaftlich möglich.
3. Einzelschritte der Luftzerlegung
1. Luft ansaugen
Die Luft wird angesaugt und Staubpartikel und Verunreinigungen in Intensivfiltern vor dem Eintritt in den Verdichter entfernt.
2. Luft verdichten
Die angesaugte Luft wird zunächst auf ca. 6 bar verdichtet. Bei der Luftverflüssigung nutzt man die Erfahrung, dass sich Gase beim Verdichten erwärmen und beim Entspannen wieder abkühlen. Kühlt man Gas – nach der Verdichtung, aber vor der Entspannung – wieder auf Umgebungstemperatur herunter und entspannt es anschließend, so fällt die Endtemperatur des Gases unter die Umgebungstemperatur.
3. Vorkühlung und Reinigung
Die Luft wird durch ein bereits kaltes Produkt in einem Wärmetauscher auf -180 °C abgekühlt. In einer Expansionsturbine kühlt sich die Luft weiter auf -191 °C bis -193 °C ab und verflüssigt sich dabei teilweise.
4. Luft abkühlen
Die Luft wird durch ein bereits kaltes Produkt in einem Wärmetauscher auf -180°C abgekühlt. In einer Expansionsturbine kühlt sich die Luft weiter auf -191°C bis -193°C ab un verflüssigt sich dabei teilweise.
5-6. Luft zerlegen (Rektifikation)
Für die Zerlegung der verflüssigten Luft werden die unterschiedlichen Siedepunkte ihrer Bestandteile genutzt. Da die Siedepunkte verhältnismäßig nahe beieinander liegen (Sauerstoff -183 °C, Stickstoff -196 °C), muss die Destillation in einem mehrstufigen Prozess in einer Rektifikationssäule (Trennsäule) durchgeführt werden.Diese enthält strukturierte Packungen, die für eine große Austauschoberfläche sorgen. Im Gegenstrom reichern sich dabei im aufsteigenden Gas Stickstoff und in der niederrieselnden Flüssigkeit Sauerstoff und Argon an. In der Argon-Trennsäule werden dann Sauerstoff und Argon voneinander getrennt.
7-10. Gas entnehmen und lagern
Die Gase werden aus der Trennsäule entnommen und zur Weiterverwendung in Lagertanks gelagert. Gasförmiger Stickstoff wird dem Prozess direkt entnommen und per Pipeline den in nächster Nähe gelegenen Abnehmern zugeführt.
Verteilung der Luftgase
Zum Verbraucher werden die Luftgase entweder gasförmig in Druckgasflaschen/ Bündeln (200/300 bar) oder in flüssiger Form mit Tankfahrzeugen gebracht. Großverbraucher werden aus vor Ort installierten Gasproduktionsanlagen oder im Einzelfall aus zentralen Anlagen über Rohrleitungssysteme versorgt.